Nachbetrachtung: Simon Frith

Historische Zukunftsprognosen – Simon Frith über den Wert von Live-Musik

Von Sandra Adler

Im Rahmen der Jahrestagung des ASPM, des Arbeitskreises Studium Populärer Musik e.V., gelang es, in Zusammenarbeit mit unserer Reihe Performing Pop, mit Simon Frith einen der bekanntesten Popmusikwissenschaftler nach Paderborn zu holen. Am Freitag, den 18. November, lauschte die gut besuchte Aula des Liborianums Paderborn seinem Vortrag über den Wert von Live-Musik.

Auch wenn es sich bei der „Performance“ von Simon Frith um einen wissenschaftlichen Vortrag handelte, war die Aufregung ähnlich wie vor dem Konzert einer großen Rocklegende. Nicht umsonst wurde der Musiksoziologe und –journalist aus Edinburgh, um dessen Namen man bei der Beschäftigung mit Popwissenschaft nicht umhin kommt, als einer der „Headliner“ oder, wie es im Tagungsjargon heißt, „Key Notes“ zur Tagung eingeladen. Diese stand, passend zur Reihe Performing Pop, unter dem Motto „Populäre Inszenierungen/ Inszenierungen des Populären in der Musik“.

Die Performance des Vortragenden selbst kann man am ehesten als einfach und unprätentiös bezeichnen. Keine Requisiten wie Power Point-Präsentation oder Videos. Ein Mann, ein Rednerpult. Sonst nichts.

So ließ er die Ergebnisse seines im Mai abgeschlossenen Forschungsprojekts für sich sprechen, die in insgesamt drei (!) Bänden veröffentlich werden sollen. Dabei wurde Live-Performance in Großbritannien seit den Fünfziger Jahren untersucht, unter anderem in Gesprächen mit Konzertveranstaltern. Die Praxisvertreter zeigten dabei, wie Frith erzählte, wenig Verständnis für die Beschäftigung mit der Vergangenheit, ihr eigenes Interesse lag in der Zukunft. Doch gerade aus der Betrachtung zweier widersprüchlicher Prognosen aus der Vergangenheit, die einerseits das Ende und andererseits einen unglaublichen Boom von Live-Musik vorhersagten, entwarf Frith sein eigenes Zukunftsszenario für die gesamte Musikindustrie im Jahre 2025. Überlegungen über aktuelle wirtschaftliche wie soziale Faktoren mit besonderem Fokus auf die britische Live-Industrie, wie z.B. Alkoholproduzenten als Festivalsponsoren oder offensichtliche Kommerzialisierung als Störfaktor für das Zuschauererlebnis, nutzte der „Prophet“ Simon Frith ebenfalls für seine Prognose.

„Every prophecy is wrong.“ Mitunter augenzwinkernd, aber dennoch durch die Vorüberlegungen fundiert, schilderte der Gast aus Edinburgh am Ende seines Vortrags schließlich eine Zukunft, in der sich nur noch die Rolling Stones und U2 an großen Stadienkonzerten versuchen und in der es keine Plattenläden und auch keine Plattenfirmen mehr gibt. Musik wird zum Erlebnis, die Musikindustrie eine fragmentierte Serviceindustrie. Ob es sich bei dieser Zukunftsvision nun um eine Utopie oder Dystopie handelt, blieb am Ende jedem Zuhörer selbst überlassen.

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