Interview: Kim Cascone

Über Fieldrecordings und Pop

Von Kristina Flieger

Mit einem entspannten Lächeln, leger in Jeans und Sweatjacke gekleidet, schleicht er durch den Bunker Ulmenwall, seine Frau Kathleen stets an seiner Seite. Die halbe Welt hat er schon gesehen, bzw. gehört und mit seinen Sounds beeinflusst, aber Kim Cascone, der Mann, der mit David Lynch den Klang von Twin Peaks prägte und mittlerweile unter seinem elften Label als Komponist und Sounddesigner arbeitet, ist stets er selbst geblieben.

Im Interview berichtet er von seinem bewegten Leben, den Fieldrecordings, seinem aktuellen Projekt, dem internationalen Hydrophonia Festival und der großen Herausforderung „Pop“.

Du performst aktuell deine Fieldrecordings, was genau kann man sich darunter vorstellen und wie funktioniert so eine Performance?

Die Performance an sich dauert immer etwa eine halbe Stunde. Das was ich zeige ist ein Zusammenschnitt aus einem Stück, das ich für ein Musiklabel in Polen produziert habe. Es ist eine cineastische Darstellung von Fieldrecordings. Ich komme viel rum, und überall, wo ich war, habe ich die Atmosphäre von Orten und Plätzen aufgenommen. Die Sounds der Orte haben mich schon immer sehr interessiert. Ich nehme sie also mit in mein Studio nach Hause und schneide sie zu einem Gesamtwerk zusammen. Das ist der musikalische Teil. Dann wird es einen Vortrag geben, in dem ich generell über die Fieldrecordings spreche und die dazu erschienenen Alben.

Du setzt dich sehr wissenschaftlich mit dem Thema Sounds auseinander und publizierst in diversen Magazinen – ist für dich der Diskurs auch immer Bestandteil deiner Performance?

Oh ja, das ist sehr wichtig! Einige meiner Veröffentlichungen behandeln zum Beispiel die Problemstellungen der Laptopmusic und diverser Aufnahmetechniken. Ich schreibe darüber, aber im direkten Austausch, auch mit dem Publikum, erfahre ich immer wieder Neues, was ich in meine Arbeit mit einfließen lassen kann. Ich mache das Ganze ja schon eine Weile, und begegne sehr vielen Menschen, die sich in dem Genre bewegen. Ich habe meinen Zugang zur Musik im Laufe der Zeit sehr stark weiterentwickelt, genau so, wie meinen eigenen Musikstil. Ich diskutiere gerne und viel mit anderen Künstlern, aber auch mit meinem Publikum über die verschiedenen Aspekte meiner Musik.

Um auf die Entwicklung deiner Musik zu sprechen zu kommen, wie bist du zu dem Thema Laptopmusic und Laptopperformance gekommen?

Das Problem mit elektronischer Musik ist, dein Equipment ständig mit dir herumzuschleppen. Allein ein Mischpult ordentlich zu transportieren ist ein großer Aufwand. Der Laptop ist eine gute Alternative bzw. ein gutes Werkzeug. Du kannst dir da jede Menge Software drauf ziehen, und die Geräte an sich werden immer effektiver und bringen mehr Leistung, sodass man im Audio-Bereich wachsende Möglichkeiten hat. Ein Laptop ist die perfekte Maschine, er ist tragbar, klein, leicht. Im Bereich der elektronischen Musik sind die Einsatzmöglichkeiten einfach enorm.

Du komponierst auf dem Laptop, aber je nachdem, wo du dich befindest und wo deine Performance stattfindet, musst du dich auf neue technische Geräte einstellen, was den Output der Musik angeht. Bzw. du nimmst nur den Laptop mit, nicht deine eigenen Boxen etc., richtig? Wie wichtig ist für dich die Technik vor Ort?

Überhaupt nicht wichtig, seitdem ich den Laptop habe. Die Musik ist im Laptop, bei manchen Performances brauche ich nicht mal extra Boxen. Und wenn, dann reicht das, was die Locations haben meistens aus. Ich probiere mit unterschiedlichen Soundformaten herum, aber wenn es zum Beispiel wie heute um meine Fieldrecordings geht, reicht ein „normales“ Equipment aus.

Du hast nicht immer mit dem Laptop gearbeitet, aber elektronische Musik war schon immer dein „Genre“, richtig?

Schon früh war mein Interesse an elektronischer Musik enorm groß. So hat das alles angefangen, bzw. von da an hat sich mein musikalisches Interesse sehr bunt entfaltet. Ich habe mich mit Industrial Music beschäftigt, Ambient Music kam später auch dazu, und dann noch einige andere. Aber immer mit starkem Fokus aus elektronische Musik.

Dein Herz lag bei der elektronischen Musik, also hast du nie in der stereotypischen Garage-Band gespielt, in den Jazzschallplatten deines Vaters gekramt oder Ähnliches?

Ja doch, als ich 16 war und zur Musikschule ging, habe ich tatsächlich in einer Band Gitarre gespielt! Ich habe in einigen Rockbands gespielt, als ich zur Highschool ging. Schwer zu glauben, oder?

Gibt es von damals noch Aufnahmen? Es wäre sehr spannend sich das anzuhören!

Nein, leider… damals waren die Möglichkeiten zum Aufnehmen auch nicht so gegeben, wie man es heute kennt. Obwohl, ich erinnere mich an eine Band, die „Testimonials“, mit der haben wir ein wenig experimentiert und aufgenommen. Aber das ging auch wieder in den elektronischen Bereich, wenn ich mich so erinnre, trotz Gitarren und Schlagzeug.

Elektronische Musik durch und durch also?

Nun ja, ich habe in Rock- und sogar auch in Jazzbands gespielt, aber ja, elektronische Musik war immer involviert. Ich habe schon immer versucht irgendwelche Geräte an die Verstärker oder an die Instrumente anzuschließen, den Sound zu verändern und mir die Technik zu Nutzen zu machen. Ich kann einfach nicht anders, das hat mich schon immer fasziniert, ich kann nicht mal sagen, warum…

Du hast dich in letzter Zeit, deine technischen Hilfsmittel und deren Einsatzmöglichkeiten betreffend, wieder auf ein neues Level begeben. Hydrophonia heißt das Projekt – kann du mehr darüber erzählen?

Ja gerne! Das ist eine spannende Sache. Das Basisprinzip ist, das Sound unter Wasser aufgenommen wird. Es gibt bestimmte Geräusche im Ozean, „Ocean Noise“. Diese Geräusche sind teilweise natürlich, teilweise aber auch durch Menschen produziert. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten bzw. Mikrophone, die unterschiedlich eingestellt sind, mit denen dann die Unterwasserwelt aufgenommen wird. Generell gilt das für alle Arten von Umweltgeräuschen, die man aufnehmen kann. Besonders gut klappt das bei Tiergeräuschen, ob nun zum Beispiel bei Vögeln oder Landtieren, oder unter Wasser. Bei der Unterwasserwelt kommt dann das Geräusch des Wassers selbst hinzu, plus der „Ocean Noise“. Aus den vielen Möglichkeiten die Unterwasserwelt aufzunehmen haben sich im Laufe der Zeit eine Menge Ansätze entwickelt, sich diesem Thema zu nähern. Es gibt klassische und moderne Ansätze, wie man die unterschiedlichen Frequenzen aufnehmen kann. Das hat mich fasziniert. Und ich habe andere Künstler gefunden, die sich auch für das Thema interessieren, und wir haben einige Techniken ausprobiert. Daraus hat sich dann das Hydrophone Festival entwickelt.

Wie funktioniert dann das Festival? Wo befindet ihr euch, direkt am Ozean? Und das Publikum am Strand?

Ja, die Leute sitzen am Hafen oder am Strand. Zum Beispiel hatten wir das letzte Hydrophonia Festival in St. Sebastian, Spanien. Und da gab es diesen einen Ort, da war eine große Glasscheibe aufgestellt, und hinter der befand sich das Meer. Also man muss sich das so vorstellen, dass man praktisch wie durch einen Fernseher in das Meer hineinsehen konnte, da schwammen dann die Fische und andere Tiere. Das war sehr schön anzusehen. Und die Künstler konnten ihre Aufnahmen direkt an dieser Glaswand durchführen, das war ein schöner Anblick.

Wird es so etwas in der Art auch in Deutschland geben?

Ich weiß noch nicht. Ich versuche noch Funding zu organisieren, vielleicht klappt es im kommenden Jahr. Es ist jedes Mal ein großer organisatorischer Aufwand, und natürlich auch ein Finanzieller. Ich würde mich freuen, wenn es funktioniert.

Das ganze Projekt kann man als sehr spezielle Kunstform betrachten, nicht als kommerziell oder gar als Pop. Bezugnehmend auf dein Fieldrecordings-Programm, dass du im Zuge der „Performing Pop Reihe“ zeigst, muss eine Frage gestellt werden: Würdest du das, was du machst als Pop bezeichnen?

Nein! Ich komme nicht aus dieser… „Welt“, oder wie auch immer man das bezeichnen soll. Ich habe einen sehr experimentellen Hintergrund, aus einer fast schon klassischen Tradition heraus. Ich habe mich mit Noise und Industrial beschäftigt, aber das würde ich auch nicht als Mainstream oder Pop bezeichnen. Pop ist für mich ein sehr problematisches Genre, um es zu klassifizieren. Popmusik ist das, was Menschen mögen. Sie ist populär. Meine Musik ist nicht populär, im Sinne wie es eine Lady Gaga ist. Das was ich tue, wird nie die breiten Massen ansprechen..

Ist das für dich die Definition von Pop, dass etwas populär ist?

Ja… oder? Nein, das nicht. Also natürlich ist das ein Bestandteil. Aber Pop ist so ein Phänomen, das lässt sich schwer greifen oder anders gesagt das sind für mich verschiedene Phänomene. Nicht ein Ganzes. Ich würde es auch eher Popkultur nennen, und die hat so viele Aspekte… von denen ich aber denke ich keiner bin, oder nur sehr gering, denn wie gesagt, das was ich mache, ist nicht populär. Es ist eine Welt für sich, in die ich aber jeden nur gerne einladen möchte.

 


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