Nachbetrachtung: Bernadette La Hengst

Vom subversiven Tanzen zum theatralen Ausbruch

Ein Konzert der besonderen Art im Theater Gütersloh

von Maria Hegewald

Freitagabend, der Weg vom Bahnhof in Gütersloh führt durch das beschauliche ostwestfälische Städtchen, in dem sich die Geschäfte langsam dem Feierabend nähern. Vorbei an dem heute denkmalgeschützten Wasserturm bietet sich die eindrucksvolle Kulisse des neuen Theaters. Ein schillernder Bau mit einer modernen Glasfassade der sich von den umliegenden Gebäuden abgrenzt. Im Inneren angekommen erstrahlt alles in sattem Weiß, vom Boden bis zur Decke. In dieser Atmosphäre begrüßt uns eine strahlende blonde Frau in Rot, die uns direkt in die Skylobby einlädt. Diese Frau ist keine geringere als Bernadette La Hengst selbst. Auf der Terrasse der Skyblobby erwartet uns eine schöne Aussicht auf die Stadt, die auch ohne Skyline auskommt. In einem netten Gespräch gesteht Bernadette, dass es sie selbst als geborene Bad Salzuflerin nie nach Gütersloh verschlagen hat, was nicht weiter verwundert, da sie sich eher den Metropolen Hamburg und Berlin zuwandte. Als eine der wenigen weiblichen Vertreterinnen der Hamburger Schule spielte Bernadette in der wohl wichtigsten Frauen-Band der Bewegung: „Die Braut haut ins Auge“. Heute widmet sie sich neben ihrer Karriere als Sängerin auch dem Theater. Da passt es wie die Faust aufs Auge, dass ihr Konzert in einem Theater stattfindet.

Die Studiobühne versetzt das Publikum, das sich aus allen Altersgruppen zusammensetzt, nicht nur optisch in eine andere Welt. Draussen das strahlende Weiß, drinnen herrscht eine gemütliche Atmosphäre in Schwarz, welche durch das rote Scheinwerferlicht akzentuiert wird. Diese Farbkombination findet sich passend auch im Kleid von Bernadette wieder. Eher untypisch für ein Theater, steht die Künstlerin nicht auf einer erhöhten Bühne, sondern befindet sich auf einer Ebene mit dem Publikum. Dies kommt Bernadette sehr entgegen, denn so kann sie direkt mit ihren Zuschauern interagieren, die anfangs zurückhaltend nur mit den Füßen und Köpfen wippten. Doch lange konnte sich das Publikum den Aufforderungen der charmanten Sängerin, die von Beginn an Vollgas gab,  nicht entziehen. Ihr musikalisch bunt gemischtes Programm von elektronischen Beats bis zu reinen Gitarrennummern regte sie zum subversiven Tanzen an, was sich im Mit-den-Ohren wackeln äußerte, wovon Bernadette selbst ihrem Publikum eine Kostprobe gab. Die noch recht verhaltenen Konzertbesucher lockte Bernadette schließlich mit Bier, was seine Wirkung zeigte und junge Frauen zum – nicht nur subversiven – Tanzen bewegte.

„Performing Pop“ setzt neben dem Rezipieren von Performance vor allem auf das Mitmachen. Bei einem üblichen Popkonzert äußert sich dieses vorrangig im Tanzen und Mitsingen. Nicht so bei einem Konzert von Ausnahmekünstlerin Bernadette La Hengst. Hier wird der Zuschauer selbst zum Sänger auf der Bühne. Zwei junge Frauen aus dem Publikum steuerten zu der vormals Ein-Frau-Performance spontan die Backing Vocals bei und unterstützen Bernadette, die sich nun immer mehr ihrem theatralen Ausbruch näherte. Auf ihrem Weg dorthin lieferte sie sich noch eine Bier-Diskussion mit Teilen des männlichen Publikums. Für diese stellte das anfangs angebotene Radler jedoch kein Lockmittel dar, um sich von ihren Stühlen zu erheben und später widerstrebte ihnen gar die Marke des offerierten Genussmittels. Davon lies sich Bernadette jedoch nicht entmutigen und tanzte ausgelassen, frei nach dem Motto ,Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet eben zum Berg kommen‘, auf den Stühlen im Publikum. Im Rahmen ihrer ersten Zugabe, welche sie zuvor als altbekanntes Spiel bereits ankündigte, spielte sie ihren Song „Nie mehr vor Mittag“. In diesen verpackte sie in äußerst charmanter Form und mit kleinen Hörbeispielen die Anpreisung ihrer bisher erschienen Platten, welche sie im Anschluss an das Konzert selbst verkaufte. Nach einer weiteren Zugabe, bei der sie nun das Publikum entscheiden lies, welches Lied es hören wollte, jedoch einige Wünsche aufgrund von Textunsicherheiten nicht erfüllen konnte, fand das Konzert sein Ende, jedoch nicht ohne, dass Bernadette ihr Publikum noch auf ein gemeinsames Bier in der Skylobby ohne Skyline einlud.

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